Unten bleiben - mit der Garnisonkirche

Nicht nur Christinnen und Christen wenden sich gegen den Nachbau in Potsdam

Den evangelischen Kirchen Deutschlands liegt die Erhaltung ihrer Gotteshäuser auf der Tasche. Dennoch schwebt über einem leeren Kirchengrundstück an der Breiten Straße in Potsdam die derzeit teuerste Kirchbauidee Deutschlands wie eine schwarze Wolke.

100 Millionen Euro aus Spenden und Staatszuschuss sollen auf den historischen Ort niederkommen, damit hier die Garnisonkirche der Preußenkönige in der barocken Fassung in der sie 1945 abbrannte, zwanghaft genau nachgebaut werde. Die Bürger Potsdams erträumen sich diesen Lückenschluss in ihrem historistischen Restaurationsprogramm und die Evangelische Kirche Berlin-­Brandenburg-­schlesische Oberlausitz eilt mit einer Baustiftung herzu, diesen Traum zu erfüllen.

Tollkühn! So nennt Rev. Paul Östreicher, der ehrwürdige Leiter des Versöhnungzentrums Coventry, dies Kopiervorhaben. Wie alle Beteiligten weiß er: Wer die altpreußische Hof-­ und Heereskirche wieder emporzaubert, übernimmt zugleich die Pflicht, ihre dunkle Wirkungsgeschichte in den Griff zu bekommen. Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I erbaute die Militärkirche zuvörderst als christliches Schulungszentrum für Soldaten. Das prägte den Geist der Militärkirche wohl für immer. Hier ließ der Monarch mit Predigten die geistigen Waffen schleifen, die zur Ehre Gottes und zu Preußens Glorie „nur dem Guten“ dienen sollten. Von da an wurde auf der Kanzel der Garnisonkirche bis zu ihrem Ende nationaler Machtanspruch und kirchliche Verkündigung theologisch verlinkt. Dass der Alte Fritz und später Hitler die preußischchristliche „Treu und Redlichkeit“ für ihre unseligen Ziele umzubuchen verstanden, steht auf einem extra Blatt. Und der „Tag von Potsdam“ 1933, als der alte Hindenburg dem VerFührer das geistige Erbe des militaristischen Preußen unter dem Segen der Kirche übergab, mag nur zufällig in der Garnisonkirche stattgefunden haben. Doch es passte zur Aura, welche die deutschnationale Elite um das Zentralheiligtum Preußens leuchten sah.

Hierher pilgerte in endlosen Zügen das Volk, um im preußischen Heiligenschrein, an den Särgen der Soldatenkönige Kraft aufzutanken zur Überwindung nationaler Kränkung. Zeitzeugen berichteten von der „Hoffnung“ auf straffe Machtanwendung zur Wiederdurchsetzung deutscher Werte und nationaler Würde. Verbinden sich in der kollektiven Erinnerung solche Wünsche noch immer mit dem Bild der Garnisonkirche, so könnte das architektonische Plagiat auch heute unangenehm zu strahlen beginnen. Man muss an Pegida denken, die offensichtlich mit der Frauenkirche ihr nationales Kraftund Auferstehungssymbol gefunden hat. Zum langen Schatten der Garnisonkirche gehören schließlich auch ihre Hetz-­und Kriegspredigten von wilhelminischer Zeit bis zum Untergang. Ihr Name steht ferner für massive Kanzelangriffe auf die Demokratie nach 1918. Solche Botschaften ergossen sich von vielen deutschen Kanzeln, hier aber sendete sie der „Leuchtturm der Nation“! Würde wirklich heute niemand in diesen „Schatten“ treten wollen, sobald sich die alte Silhouette wieder zeigt?

Nicht umsonst möchte die Kirchenstiftung die scheinbar „unschuldige“ Gebäudekopie ausschließlich mit Gebrauchsanleitung freigeben: Ein Versöhnungszentrum sei einzubauen. Das soll für Besucher praktisch pausenlos das zwielichtige Gedankenerbe des Preußenbaues (besonders die Sünden der Nazichristen) korrigieren und aufarbeiten. Das Problem: Die martialische Außenform des Turmes wird zur Öffentlichkeit lauter reden als der Versöhnungsgeist von innen. 88 Meter bis zur Spitze mit Kriegsemblemen zugehängt und mit einem Adler getoppt symbolisiert keinesfalls Demut und eine neue Haltung. Er wird alles andere als ein Zeichen für den Weg zu einer bekennenden Kirche des Friedens. Propst i.R. Heino Falcke: „Der Wiederaufbau der Garnisonkirche erschiene mir wie die Abkehr von dieser Tradition“. Versöhnungsarbeit wird unglaubhaft. Ein Leuchtturm für unsere Kirche? Ja, es wäre angemessen, wenn die Kirche den Potsdamer Bauplatz leer ließe und ihr Versöhnungskonzept vom Waffentempel des Soldatenkönigs abkoppelte. Der Verzicht auf die bereits vorliegende Turmbaugenehmigung wäre ein deutlicheres Friedenszeichen. Weil´s aber nicht kann sein, geht der Ruf aus Potsdam an Sie, lieber Kirchentagsleser: Bedenken und Protest gegen das Garnisonkirchenprojekt, das die Bundesregierung fatal zum „nationalen Anliegen“ hochstilisiert, sind angesagt.

Wir bitten gemeinsam mit der Martin-­Niemöller-­Stiftung: Besuchen Sie die Webadresse >Christen-­brauchen--keine-­Garnisonkirche.de<.

Informieren Sie sich über unsere gleichnamige Initiative. Unterschreiben Sie unsere online-­Petition.

Steuern Sie Ihre Meinung dem Diskurs bei, wie es über 500 bekannte und unbekannte Unterstützer schon getan haben. Teilen Sie uns Ihr Interesse an unserer Fachtagung am 31.10.2015 mit!

Sprechen Sie uns an: Auf dem Markt der Möglichkeiten wird es am Stand der AnStifter und der Evangelischen Studierendengemeinden in der Bundesrepublik heißen: Der Turm zu Potsdam – UNTEN BLEIBEN!

Günther Köhler

Erschienen in der Kirchentagszeitung "Protest" (Seite 9)

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