Sätze zur Sache

Vorgetragen von Wolfram Hülsemann als Vertreter der Initiative „Christen brauchen keine Garnisonkirche“ bei der 51. Sitzung des STADT FORUMS POTSDAM am 13.11.2014 zum Thema „Wiederaufbau der Garnisonkirche?“

  1. Alle hier zu hörende Beiträge zeigen sich erklärlicher Weise Interessen geleitet. Auch mein Beitrag wird das sein! Aber das eben gehörte Bemühen, die verloren gegangene Bildwelt der ehemaligen Garnisonkirche als Schatz aus den Tiefen der menschlichen Kultur zu deuten, verfolgt natürlich ebenfalls erkennbare Interessen. Diese Bildwelt kann, ich meine muss völlig anders gedeutet werden. Davon später.
    Die einstige Garnisonkirche gibt es nicht mehr. Auch keine Ruine. Weil dieser Verlust unwiederbringlich ist, reden wir hier von einem geplanten Neubau. - In der Regel leitet sich jeder Neubau aus einem zuvor geklärten Bedarf ab. Dass die Stadt zusätzlichen Kirchenraum braucht, hat sich uns nicht erschlossen. Der Neubau der Garnisonkirche gründet im Wunsch nach Korrektur des gegenwärtigen Stadtbildes.
  2. Gegen eine kirchliche Beteiligung am gewünschten Kopiebau sprechen Idee und Nutzungsgeschichte der ehemaligen Garnisonkirche. Die vorgesehene Kopie samt ihrer nachgebildeten Ikonographie würde aus unserer Sicht den biblischen Grundwerten für Frieden und Gerechtigkeit und Bewahrung menschlicher Würde widersprechen. Ich schließe hier ausdrücklich die bereits fertiggestellte Wetterfahne trotz mancher ausgesprochen krampfig wirkenden theologischen Umdeutungsversuche mit ein. Bilder werden heute in Comic-Lesart entziffert. Und der Adler wird hierzulande nun mal als preußische Adler dechiffriert! Zumal wenn daneben die Insignien des preußischen Königs abgebildet sind. Wer neu baut, trägt für die Botschaft des Gebäudes Verantwortung.
  3. Zur Bildersprache der ehem. Kirche: Die Ornamentik wies den Betrachtenden eindeutig auf die Gott gefügte Staatsraison hin. Gottesgnadentum des Königs, das Grundmuster von „Befehl und absolutem Gehorsam“, martialische Manneszucht bis in den Tod, wurden durch die Symboliken an und in dieser Kirche vermittelt. Das Glockenspiel fungierte als emotionale Vertiefung dieser Unterweisung. („ Üb immer Treu und Redlichkeit….“ pervertierte schließlich zum SS-Grundsatz: „Meine Ehre heißt Treue..“)
  4. Der Bauherr selbst hatte keine Kriege geführt. Aber er hat ein religiös fundiertes System entwickelt, in dem folgenschwer die Impulse der franz. Revolution später weitgehend wirkungslos blieben. Dass sich in der Garnisonkirche auch wahrhaft patriotisch und europäisch gesonnene und der menschlichen Würde verpflichtete Menschen fanden, ist unstrittig, nimmt aber nichts von dem beschriebenen Grundansatz. Deshalb sollte diese Tatsache auch nicht weiteren Legendenbildungen (Keimzelle des Widerstands gegen Hitler) dienen.
  5. Nun ist die Kirche als Institution damals nicht missbraucht worden. Sie hat den Missbrauch selbst betrieben. Und dies vom Anfang bis zur Zerstörung der Kirche 1945. (Hinweis auf den FAZ-Auszug) Der Handschlag Hindenburg-Hitler ist nur das verdichtete Symbol dieses permanenten Missbrauchs, der verheerende Traditionen ausbildete. Dazu gehört auch, dass an diesem Ort fortgesetzt die Weimarer Demokratie als unheilbringend verleumdet wurde. Das hat es in anderen Kirchen auch gegeben! Aber hier soll ein Neubau entstehen, der von den Betreibern des Unternehmens als „Wiedergewinnung“ beschrieben wird.
  6. Selbst einige der Befürwortenden wissen um diese Gefahr. Sie sprechen selbst von Risiken und einem großen Wagnis (Paul Oestreicher). Sie wollen deshalb der verfälschenden Botschaft des Gebäudes ein christliches Versöhnungskonzept entgegen setzen. Die geplante Kirchenkopie kann, so meinen wir, aus sich heraus das Anliegen der heutigen Bauherren aber nicht erzählen. Es braucht immer Menschen, die sich für diese Erklärungen interessieren. Im Bilde gesprochen: Die Befürwortenden konstruieren und bauen eine Hardware, - also das Gebäude nach altem Muster. Dazu haben sie sich eine Software für die Innenwelt der Kirche ausgedacht: Versöhnungsarbeit in vielen Facetten, die sich hier abspielen kann. Software aber ist bekanntlich über die Zeiten austauschbar.
  7. Heutige Arbeitskonzepte haben keinen gesicherten Bestandsschutz. Ist es wirklich hirnrissig, sich vorzustellen, dass es in diesem Land rechtsextreme, antisemitische, nationalistische und antieuropäische Geister gibt, die diese neue Garnisonkirche als unterstützende Provokation für ihre politischen Wünsche und ihr Agieren betrachten werden? Hinweise in den sozialen Netzwerken lassen sich bereits finden.
  8. Und weil der Neubau immer wieder als Einspruch gegen Ulbrichts tatsächliche kulturelle und kirchenpolitische Untat erklärt wird, nur dies: Redlich wird man weiterkommen, wenn man die Zerstörung von Kirche und Turm in größeren historischen Zusammenhängen sehen kann. Diese stalinistische Aktion in die Mitte der Betrachtung zu stellen, wie das von Teilen der Stiftung getan wird, verfälscht die geschichtlichen Grundlinien.
  9. Wir verstehen auch nicht, wofür die großen Sammelanstrengungen der Stiftung eigentlich sein sollen. Sie sammeln für die gesamte Kirche, die die als Turm mit Kirchenschiff originalgetreu „in einem Zug“ gebaut werden soll. So wird das Ziel auf der Homepage der Stiftung beschrieben. Oder wollen Sie, wie einige aus der Stiftung beschreiben, nur den Turm aufbauen? Als Spender will ich schon wissen, wofür ich mein Geld gebe oder auch nicht geben will.
  10. „Geschichte erinnern, Verantwortung lernen, Versöhnung leben“. So wird das inhaltliche Stiftungsziel beschrieben. Wer auf diese Weise ethische Grundorientierungen für die Gesellschaft glaubwürdig anbieten will, wird gut beraten sein, seinem Ärger über sachbezogene Kritik, Skepsis oder gar Ablehnung des Projektes produktive Grenzen zu setzen. Für uns Christenmenschen schreibt der vielfach genannte und verehrte Coventry – Akteur Paul Oestreicher: „Eine ‚Kirche für andere‘ (Bonhoeffer) kann nicht ohne das Verständnis der anderen, geschweige gegen die anderen gebaut werden. Dazu gehört Geduld und guter Humor.“
    Diesen Einsichten müssen wir nichts Weiteres hinzufügen. Dafür steht unsere Initiative:

    www.christen-brauchen-keine-Garnisonkirche.de

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