Offener Brief an den Britischen Botschafter in Berlin

Offener Brief an den Britischen Botschafter in Berlin

Sehr geehrter Herr Botschafter,

der Presse konnten wir entnehmen, dass Ihre königliche Hoheit, Queen Elizabeth II., symbolisch die Patenschaft für einen Ziegelstein zum Aufbau der Garnisonkirche in Potsdam übernehmen und damit ein Zeichen der Versöhnung setzen wolle. Wir sind sehr dankbar für Gesten der Versöhnung vor dem Hintergrund unserer Geschichte. Der Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche aber ist wegen dieser Geschichte nicht nur in Potsdam, sondern in ganz Deutschland sehr umstritten. Dies zu verdeutlichen, ist unser Anliegen.

Wir sind eine Gruppe von Christinnen und Christen, die sich gemeinsam mit der Martin-Niemöller-Stiftung gegen den originalgetreuen Wiederaufbau der Garnisonkirche einsetzt.
Bei der Garnisonkirche Potsdam handelte es sich um eine als Heeres- und Hofkirche gebaute und genutzte Kirche, die sich von Obrigkeit und Militär in den Dienst nehmen ließ, in der auf politische Weisung hin Krieg gepredigt und demokratische Entwicklungen denunziert wurden.
In der Garnisonkirche wurde am 21. März 1933, dem sogenannten „Tag von Potsdam“, das verheerende Bündnis zwischen konservativem Bürgertum, preußischem Militär und Nazi-Führung besiegelt. Die Bilder vom Handschlag Hindenburgs und Hitlers vor der Garnisonkirche haben sich tief ins kollektive Gedächtnis eingegraben. Nun können heutige Forschungen differenzieren und die Bedeutung dieser Geste vor der Kirche entdramatisieren. Dennoch: Dieser Ort hat der Eröffnung des neuen Reichstages, der Entmachtung der letzten demokratischen Bastionen, hat dieser Stunde d i e besondere Weihe gegeben. Nicht was in Einzelheiten damals wirklich vonstattenging, sondern wie die Bilder gesetzt sind und bis heute wirken, ist das Ausschlaggebende.

Die Garnisonkirche Potsdam trägt zeichenhaft in ganz besonderem Maße Anteil an der Schuld, die in die kollektive Katastrophe führte. Eine Schuld, die an jedem Stein klebt, der ausgegraben wird und aus unserer Sicht keineswegs einfach aufgewogen werden kann durch Spendensteine, die eine neue Denkart postulieren sollen. Die Betreibenden des Baus erklären unumwunden, dass der Versöhnungsgedanke nicht im Mittelpunkt eines Wiederaufbaus steht:

„Satzungszweck unserer Fördergesellschaft ist nicht die sinnvolle Gestaltung der Brache oder der Aufbau eines Versöhnungszentrums, so schön beide Ziele auch sein mögen. Unser Satzungszweck ist der originalgetreue und vollständige Aufbau der Garnisonkirche unter genau diesem Namen.“ (Märkische Allgemeine Zeitung,18.03.2015)

Uns ermutigt in diesem Konflikt ein Blick auf die bauliche Gestaltung der Kathedrale von Coventry als einen zur Friedensverantwortung und zur Versöhnung geeigneten Ort.

Weil Kriege, Militarisierung der internationalen Beziehungen und Missbrauch von Religion zu kriegerischer Hetze bedrohlich aktuell sind, weil auch in Deutschland von „neuer Macht“ geredet, gegen eine „friedensverwöhnte“ Gesellschaft polemisiert und ein Ende der militärischen Zurückhaltung gefordert wird, brauchen wir heute ein anderes Zeichen als eine neue Garnisonkirche. Diese Kirchenkopie zu bauen ist ein falsches und auch international ein fatales Zeichen.
Wir bitten Sie daher, alles in Ihren Möglichkeiten Stehende zu tun, dass Queen Elizabeth II. nicht in dieses sehr umstrittene Projekt einbezogen wird.

Wegen des großen gesamtgesellschaftlichen Gesamtinteresses bitten wir um Verständnis, wenn wir diesen Brief zeitgleich der Öffentlichkeit übergeben.

Für Nachfragen und Gespräche stehen wir jederzeit gern zur Verfügung.

Hochachtungsvoll,

Günter zur Nieden

für die Initiative „Christen brauchen keine Garnisonkirche“ und die Martin-Niemöller-Stiftung

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