Brief aus der Bundeshauptstadt von Siegfried Sunnus

Zum ZDF-Gottesdienst aus Potsdam

Brief aus der Bundeshauptstadt

Dieser Brief kommt ausnahmsweise nicht aus der Bundeshauptstadt, sondern von der schwedischen Ostseeinsel Öland in einer herrlichen Spätsommeratmosphäre (mit Baden!). Er handelt auch kein Berliner Thema ab, sondern betrifft die Hauptstadt vom Bundesland Brandenburg, Potsdam. Denn am  Sonntag, den 11. September, schaltete ich den ZDF-Gottesdienst ein. Sein Thema war „Frieden lernen“, er fand in einem Gottesdienstraum gegenüber der Baustelle statt und sein Titel besagte: Vom „Wiederaufbau der Garnisonkirche“ -  in der Durchführung war aber immer nur vom Wiederaufbau des Turmes der Garnisonkirche die Rede!

War diese Unklarheit gewollt?

Es gab einen Rückblick auf die Geschichte der barocken Kirche, ihre Zerstörung durch die Bomben im April 1945, den Gottesdienstraum im Turm, ihre Umbenennung in „Heilig Kreuz Gemeinde“ und die Sprengung 1968. Der frühere Ministerpräsident Manfred Stolpe, der ab 1959 juristischer Konsistorialrat der Kirche war, trat als Zeitzeuge auf – er erzählte von der lebendigen Gemeinde, die sich im Turmraum versammelte und bewußt mit ihrer Namensgebung Versöhnung und Frieden in den Mittelpunkt stellte und ihrer 20 Gemeindeglieder gedachte, die im Widerstand gegen Hitler hingerichtet worden waren; er berichtete von der Ruine und deren Vernichtung -  „eine Kulturbarbarei“!

Um den Wiederaufbau gibt es eine heftige Diskussion – sie wurde aber nur kurz gestreift unter dem Aspekt „Kirche des preußischen Militarismus“ und v.a. dem „Tag von Potsdam“ mit dem servilen Händedruck des neu ernannten Kanzlers Adolf Hitler mit dem greisen Reichspräsidenten von Hindenburg im März 1933. „Kann eine Militärkirche eine Kirche des Friedens werden im Geist der Bergpredigt?“, fragte der Superintendent. Es fehlte aber völlig das Eingehen auf die Bürgerbewegung gegen den Wiederaufbau, an der führend Berliner beteiligt sind, nachzulesen bei „www.christen-brauchen-keine-Garnisonkirche.de“, von Gerhard Hochhuth, Wolfram Hülsemann, Gunter Köhler, Dr. Hans Misselwitz, Ruth Misselwitz,  Dr. Friedrich Schorlemmer und vor allem die kritische Tagung vom November 2015 in der Pankower Gemeinde „Zu den vier Evangelisten“. Stattdessen versuchte Altbischof Dr. Huber eine „Heilung“ des Bauwerks durchzuführen an Hand des Predigttextes aus Lukas 7, 36ff – Jesu Salbung durch die Sünderin – mit der Zusage Jesu „Dir sind Deine Sünden vergeben“!

Es fehlte auch nicht die Nagelkreuzgemeinschaft, ausgehend von Coventry, zu der auch die Gemeinde gehört (wie auch die von Pankow, die aber nicht erwähnt wurde): Diese weltweite Gemeinschaft hat als Zeichen die aus drei Nägeln der Dachbalken der von deutschen Bomben 1940 zerbombten Kathedrale gebildetes Kreuz und ein eindrückliches Gebet „Vergib!“.

Mein Haupteindruck war der „Mißbrauch“ des Gottesdienstes zur Propagierung des Wiederaufbaus – sehr schön deutlich in einer Fürbitte, in der die junge Frau von der Freude sprach, den der Turm dann im Stadtensemble bilden würde! Als ob das theologisch das Thema einer Fürbitte sein könnte!

Natürlich ist das Projekt der Friedenserziehung bedenkenswert, aber ob dies den Wiederaufbau des Turmes – oder gar der Kirche in einem zweiten Bauabschnitt,  erforderlich macht…?

Quelle: Deutsches Pfarrerblatt Nr. 10, OKTOBER 2016

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